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Überlastete Manager, erschöpfte Teams

Überlastete Manager, erschöpfte Teams - Beitragsbild

Donald Duck genießt sein Picknick am Waldrand. Plötzlich sieht er, wie Ameisen seine Leckereien wegtragen – Salami, Kuchen, Käsestückchen. Fasziniert beobachtet er das vollbepackte Ameisen-Batallion. Wie viel sie wohl tragen können? Mit augenzwinkerndem Forscherblick sattelt er den Ameisen immer noch ein Stückchen mehr auf, bis sie schließlich in die Knie gehen. Bei vielen Menschen in Arbeit kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie das Schicksal der Ameisen teilen. Sie tragen Lasten, die auf Dauer zu schwer für sie sind, um dann früher oder später ins Burnout zu gehen. Doch einige sind stärker und halten durch …

Die Ausnahme als Maßstab

Überlastete Manager, erschöpfte Teams

Jonathan* kam vor etwa vier Jahren zu mir ins Coaching, weil er sicherer in seiner Führungsrolle werden und seine bedenklich hohe Wochenarbeitszeit verringern wollte. Um es kurz zu machen: Hinsichtlich der Wochenarbeitszeit hat sich wenig geändert: 

 

Nach mittlerweile vier Jahren bewegt sie sich immer noch zwischen 60 und 80 Stunden, und Jonathan ist inzwischen auf dem Executive Level angekommen. Es geht ihm sehr gut. Er kann besser delegieren und ist gelassener geworden. Er ist mit seinen Aufgaben gewachsen. Seine Familie trägt die Belastung mit, und ja, es gibt gemeinsame Urlaube. Seine Kinder kennen ihn noch, wenn er nach Hause kommt. Er ist ein emotional ausgeglichener und freundlicher Mann. Seine Familie gibt ihm Kraft und Rückhalt. Aus den Urlauben kommt er erholt zurück. Seine Chancen, die restlichen 20 Jahre seines Berufslebens erfolgreich zu gestalten, ohne in die Knie zu gehen, schätze ich relativ hoch ein. Solche Lichtgestalten sind Fluch und Segen zugleich: sie sind in den Unternehmen äußerst belastbar und erfolgreich, und sie werden ungewollt zum Maßstab für andere.

Und die anderen, die weniger Robusten?

Andere, die nicht diese idealen Voraussetzungen haben. Bei denen z. B. das Privatleben auch mal Kraft kostet oder schwierig ist. Die nicht mit allen Kollegen, Mitarbeitern oder Vorgesetzten so mühelos umgehen können. Die eine besondere Herausforderung (Probleme gibt es ja nicht mehr!) auch schon mal um den Schlaf bringt. Die nicht diese intellektuelle Brillanz haben. Die arbeiten auch 60 bis 80 Stunden und werden mit der Zeit mürbe. Wie die Ameisen, denen einer immer noch mehr aufbürdet. Mit eingeknickten Knien laufen sie irgendwie weiter. Wohin soll das noch führen, frage ich mich manchmal. Wann hat eine Führungskraft oder ein Mitarbeiter sich genug reingehängt? Wie oft und wie lange muss sie beweisen, dass sie jede Aufgabe annimmt, die an sie herangetragen wird?

Kathrin*, Leiterin einer Entwicklungsabteilung, erzählte mir von der gestiegenen Fluktuation in ihrem Bereich, und dass sie deswegen in der Kritik stehe. Die Mitarbeiter würden sich wegbewerben, weil sie die ständige Überforderung, die eng getakteten Zeitpläne, die unüberschaubare Menge an Aufgaben nicht mehr aushalten. Sie wolle herausfinden, ob das auch mit ihrem Führungsstil zu tun hat. Ja, wir finden ein paar Dinge, die sie noch besser machen kann (viel Zuhören, mehr Empathie, auch von sich erzählen usw.). Aber im Großen und Ganzen gehen die Mitarbeiter einfach weg, weil sie genug haben von der permanenten Überlastung. Die Ameisen haben die Hoffnung, dass es anderswo besser ist.

Vor einigen Jahren habe ich eine Gruppe von Vertriebs- bzw. Bereichsleitern gecoacht, die kurz zuvor befördert worden waren. Schnell ankommen in der neuen Funktion mit Transition Coaching. Ihre Arbeitswoche war brutal: endlose Meetings, vollgepackte Tage, Abendveranstaltungen mit Kunden, großes Verkaufsgebiet bei den Vertriebsleitern, zu Hause nur am Wochenende. Montagmorgens um 4 Uhr losfahren und Freitag in der Nacht nach Hause kommen. Das wird erwartet, sagte man mir. Wer auf dieser Ebene arbeiten will, weiß, was auf ihn zukommt.  Die 80-Stunden-Woche sei Teil der Job Description. Einzelfälle? Leider nein. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen.

Überlastung ist das neue Normal

Überlastung, Schlafstörungen, zu wenig Zeit für Privates und dauernde Anspannung haben dramatisch zugenommen. Die Freunde werden weniger, weil man ja nie Zeit hat. Die Freude auch. Welcher Testlauf findet gerade in den Unternehmen statt? Gibt es ein geheimes Bündnis aus wenigen Verschworenen, die die Belastungsgrenze von Führungskräften und Mitarbeitern immer weiter verschieben wollen? Vier Stunden Schlaf und ein paar Power Nappings, das muss reichen!? Ständige Erreichbarkeit sowieso. Ein Change Projekt jagt das andere. Die Herausforderungen bei der Umsetzung der Unternehmensstrategie sind gewaltig. Der Shareholder-Value lässt grüßen, ehrgeizige Top Management Pläne ebenso.

Sand im Getriebe und Druck von oben

Doch ganz so einfach ist es nicht. „Die da oben“ alleine verantwortlich machen, tut zwar für den Moment gut, und man kann sich gemeinschaftlich in seinem Elend suhlen. Die Wahrheit ist differenzierter. Es ist so ähnlich wie bei Donald Duck und den Ameisen: natürlich sind die Ziele herausfordernd, und man hat keinen Einfluss darauf, doch die Ameisen streuen auch selbst genügend Sand ins Getriebe. Durch eine ritualisiert holprige Zusammenarbeit, durch Regeln, die sich schon lange verselbstständigt haben und die niemand mehr hinterfragt, durch langatmige und ineffektive Meetings, weil Einzelne mit ihren Aufgaben überfordert sind und das lieber verschleiern, als sich das einzugestehen, weil Konflikte sich eingenistet haben und chronisch geworden sind, durch Konkurrenzkämpfe, Abschotten, Silodenken. Mit der Zeit hat sich die Qualität der Zusammenarbeit beinahe unmerklich verschlechtert, und man hat sich darin eingerichtet.

 
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Lösungen erster Ordnung

Zeitmanagement und Reflexion mit Gudrun Kreisl

Eine Beratung, die den Beteiligten hilft, an wesentliche Themen heranzukommen, kann einiges bewirken. Manager und Teams verbessern ihre Effizienz, das spart Zeit und Ressourcen. Wissens- und Methodendefizite können durch punktgenaue Skill Trainings aufgefangen werden. 

 

Gelöste Konflikte setzen Zeit, Energie und Synergien frei. Überforderte Mitarbeiter bekommen Unterstützung oder eine neue Aufgabe. Meetingregeln werden geändert. Besonders belastete Führungskräfte erhalten ein Coaching. Oder, mittlerweile wirklich in aller Munde: Unternehmen werden agiler. Ein agiles Unternehmen kann die Chance zu mehr Eigenverantwortung und Selbststeuerung sein, auch zu einem menschlicheren Miteinander. Doch es mehren sich die Stimmen, die vor Überlastung bei Umstellung auf eine agile Arbeitsweise warnen. Und Methoden sind immer nur die Hälfte der Reise. 

Agilität erfordert neue, reifere Menschen. Menschen, die gerne Verantwortung übernehmen, keine Machtspiele mehr spielen wollen, sich selbst reflektieren, sich ihrer Stärken und auch Schwächen bewusst sind und bereitwillig daran arbeiten. Wenn das Mindset der Menschen weiter auf Kontrolle, Machtstreben, Beschleunigung sowie einseitiger Output- und Gewinnmaximierung ausgerichtet ist, findet im besten Fall eine Optimierung des Bestehenden statt, eine Lösung erster Ordnung, wie Paul Watzlawick das bezeichnete. Im schlechtesten Fall geraten die Menschen noch mehr unter Stress, und die entstandenen Freiräume werden in kürzester Zeit mit neuen Aufgaben und Zielen gefüllt.

 

Lösungen zweiter Ordnung

Überlastung und im Extremfall Burnout nehmen gerade in Zeiten von Veränderung zu. Der Change verbrennt zusätzliche Energien. Wie kann eine Lösung zweiter Ordnung aussehen, eine Lösung, die das System grundlegend verändert? Grundlegende Transformationen werden dringend gebraucht, denn derzeit zerstören die Organisationen mittel- und langfristig ihre Human-Ressourcen.  Wissensträger werden häufiger krank, weil sie besonders gefordert sind. Mitarbeiter, die nicht mit einer eisernen Psyche ausgestattet sind, werden dünnhäutiger. Spannungen am Arbeitsplatz nehmen zu, ebenso psychische Erkrankungen. Junge Menschen, die heute mit Anfang, Mitte zwanzig in ein solches Unternehmen eintreten, werden diesen Dauerstress nicht bis zum Renteneintritt aushalten. Sie werden irgendwann einbrechen, oder, was wahrscheinlicher ist – gerade, wenn man einen Blick auf die Generationen Y und Z wirft: sie erkennen das Spiel und steigen aus. Wechseln zu einem Arbeitgeber, der eine andere Philosophie hat, begnügen sich mit einem niedrigeren Gehalt, gehen in den öffentlichen Dienst, der bei jungen Menschen wieder sehr attraktiv geworden ist (was natürlich nicht heißen soll, dass der öffentliche Dienst ein Kurbetrieb mit Wellnesscenter ist, auch da ist die Beschleunigung angekommen. Doch die Arbeitszeiten sind andere und die Belastungen sind geringer, insbesondere in den Verwaltungen). Die jungen Menschen signalisieren uns: so könnt ihr nicht weitermachen!

 

Ausblicke und Hoffnung

Überlastete Manager, erschöpfte Teams

Was gibt Hoffnung? Die Erkenntnis, dass hier und dort tiefgreifende Veränderungen angestoßen werden, von Organisationen, von Teams, von Einzelnen. So entsteht z.B. auf der Führungsebene eines mittelständischen Unternehmens eine echte Community, die lernt, wie sie vertrauensvoll und transparent miteinander arbeiten können. 

In einem großen Konzern verändert sich eine Unternehmenseinheit radikal, indem ein repräsentatives Change Team aus allen relevanten Stakeholdern gebildet wird. Die Mitarbeiter stellen dabei die größte Stakeholder-Gruppe, wie auch im Unternehmen. Diese erarbeiten und verhandeln die Veränderung, und die Führungskräfte qualifizieren sich parallel dazu in Facilitative Leadership. Ein Abteilungsleiter erkennt bei seinen Team Leads und Mitarbeitern stark ausgeprägtes Silodenken, und er initiiert einen Change Prozess, der die Zusammenarbeit radikal verändert. Das Software-Unternehmen SAP erkennt die Bedeutung von Meditation, und führt deshalb Meditationskurse für alle Mitarbeiter ein. Denn bei ständiger geistiger Hochleistung braucht das Gehirn regelmäßig Pausen, andernfalls brennt es aus. Führungskräfte erkennen den Wert von Persönlichkeitsentwicklung und begeben sich mit viel Engagement auf einen Weg von Reflexion, Hinterfragen von Biases und Glaubenssätzen.

Die Hoffnung der heutigen Zeit ist, dass jeder Einzelne, jedes Team, jede Organisation die Möglichkeit  hat, etwas zu verändern. Jeder hat die Chance, anderen mit Freundlichkeit und Wertschätzung zu begegnen und zu lernen, mutig Grenzen zu setzen. Teams haben die Chance, die Spielregeln ihrer Zusammenarbeit fundamental zu verändern. Unternehmen können Ernst machen mit radikaler Veränderung, indem sie sie nicht von oben verordnen, sondern von allen gestalten lassen. Einige erkennen das und gehen voran. Es besteht Grund zur Hoffnung. Wir sollten sie nähren durch mutige, radikale Schritte, durch Veränderungen in uns und in unserem direkt beeinflussbaren Umfeld.

Die Bilder entstanden z. T. auf meiner Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn von Moskau über die Mongolei nach Peking.

* Name geändert

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