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Konfliktmanagement für Scrum Master

Als Scrum Master oder Projektleiter Konflikte bearbeiten

Laterale Führungsrollen, wie  z. B. Projektleiter, Scrum Master oder TeamLeads ohne disziplinarische Verantwortung, gibt es immer mehr. Das Streben nach flachen Hierarchien, die Einführung agiler Kooperationsformen oder mehr Projektarbeit erfordert ein Führen ohne disziplinarische Macht. Lateral führen heißt, Ziele zu erreichen ohne anordnen oder delegieren zu können. Stattdessen muss es gelingen, Menschen zu begeistern, zu überzeugen, Selbstorganisation zu ermöglichen und die richtigen Rahmenbedingungen für den Teamerfolg zu schaffen.

Jedoch bleiben auch in der lateralen Führung die eher ungeliebten Aufgaben nicht aus. Dazu gehört ganz eindeutig das Erkennen und Bearbeiten schwelender oder eskalierter Konflikte. Doch wie können sie eingreifen, ohne disziplinarische Macht? Ein Projektleiter z. B. hat die Verantwortung für das Erreichen von Meilensteinen, das Einhalten eines Kostenrahmens sowie das Sicherstellen von definierten Qualitätskriterien. 

Doch hat er auch das Recht, eine vergiftete Atmosphäre anzusprechen? Kann er mangelnde Zusammenarbeit thematisieren? Für viele Projektleiter oder Scrum Master ist ein professionelles Konfliktmangement extrem herausfordernd. Andererseits ist es wichtig, sich auch in Rolle des lateralen Leaders selbst zu legitimieren, Spannungen und Konflikte im Team zu bearbeiten. Denn Konflikte haben aufgrund ihrer Eskalationsdynamik früher oder später Auswirkungen auf Leistung, Aufgabenbewältigung und das Klima im Team. Und gerade selbstorganisierte Teams sind nicht frei von Konfliktkonstellationen, denn die Form der Zusammenarbeit ist für viele neu und ungewohnt. 

Scrum Master und Projektleiter als aktive Konfliktmanager

Unabhängig davon, ob nun disziplinarisch oder lateral geführt wird, werden Konflikte häufig zu spät thematisiert – dann, wenn schon viel Porzellan zerschlagen wurde und die Beteiligten sich entweder in ihr Schneckenhaus zurückgezogen haben oder die Emotionen schon sehr heftig aufeinandergeprallt sind. Wann und wie sollte man bei einem Konflikt eingreifen? Es gibt vier Handlungsfelder, derer sich laterale Führungskräfte je nach Situation bedienen können. 

 

Prophylaxe

Das bedeutet, aus der Führungsrolle heraus vorbeugende Strukturen zu schaffen, die eine möglichst konfliktarme Zusammenarbeit ermöglichen. Dazu gehören eindeutig formulierte Erwartungen aneinander, der Abgleich von Werten, Regeln, Normen und Prozessen. Teamfördernde Maßnahmen, wie z. B. eine Teamentwicklung, ermöglichen das Aufarbeiten von Konflikten sowie eine klarere Definition der zukünftigen Zusammenarbeit.  So kann z.B. in einer Retrospektive ein schwelender oder überwundener Konflikt gezielt angesprochen und bearbeitet werden. Selbstorganisation wird gefördert, wenn man die Teammitglieder fragt, wie sie sich die Bearbeitung zukünftig auftretender Konflikte wünschen. Besonders leicht fällt Teams nach meiner Erfahrung die Arbeit mit einer paradoxen Intervention: „Was müsstet Ihr tun, damit Konflikte bei Euch an der Tagesordnung sind? Wie solltet Ihr kommunizieren, um die Stimmung maximal negativ aufzuladen? Was solltet Ihr unbedingt beachten, um möglichst viel Misstrauen und Reibungsverluste im Team zu erzeugen?“ Sich dem Thema Prophylaxe mit viel Humor und Leichtigkeit zu nähern, macht allen Spaß, stellt niemanden bloß und erzeugt viele Ideen zur Verbesserung der Zusammenarbeit.

 

Früherkennung

Konflikte fangen klein und unmerklich an, und können bis zur gegenseitigen Zerstörung eskalieren – das ist im Hollywood-Klassiker „Der Rosenkrieg“ sehr anschaulich und unterhaltsam zu beobachten. Je früher Konflikte erkannt werden, desto leichter lassen sie sich entschärfen. Leider nehmen die meisten Menschen Konflikte erst ab einer mittleren Eskalationsstufe wahr, und wenig eskalierte Konflikte verschwinden quasi „unterhalb des Wahrnehmungs-Radars“. Scrum Master oder Projektleiter tun daher gut daran, sich im frühen Erkennen von Spannungen und Konflikten zu üben, denn dann ist die Konfliktbearbeitung noch relativ leicht. Ein Schnelltest zur eigenen Einordnung hilft: bin ich eher konfliktscheu, und tendiere vielleicht dazu, unbewusst Signale zu übersehen  bzw. zu überhören, oder beende ich Konflikte mit einem Machtwort, sodass die Spannungen unter der Oberfläche weiter gären?  Bin ich jemand, dem es gelingt, Konflikte zusammen mit den Beteiligten ruhig und souverän zu bearbeiten? Die Erkenntnis über sich selbst zeigt auf, wie der Scrum Master sich persönlich weiterentwickeln kann.

Konflikte erzeugen bei den meisten Menschen unangenehme Emotionen. Diese auszuhalten, kann man aber lernen. Eine Scheu vor solchen Gefühlen führt oft zu dem Versuch, einen Konflikt ausschließlich auf der Sachebene lösen zu wollen. Und es hindert Menschen daran, sich Konflikten in ihrer Gesamtheit zu stellen. Ganz gleich, ob selbst beteiligt oder als lateraler Leader in einer neutralen Rolle – wichtig ist es, Verantwortung für die Bearbeitung des Konflikts zu übernehmen, auch in der Rolle eines Projektleiters oder Scrum Masters.

 

Bearbeitung

Wenn eine Konfliktsituation offensichtlich geworden ist, ist es Aufgabe der Führung, einzugreifen und Maßnahmen zur Konfliktklärung in die Wege zu leiten. Je nach Eskalationsstufe können Scrum Master selbst das Gespräch mit den Beteiligten suchen oder – wenn die Wogen sehr hoch schlagen und viele Emotionen im Spiel sind – professionelle Konfliktberater engagieren. Wichtig, und nicht immer ganz einfach ist es dabei, das Vorgehen an die Eskalationsstufe eines Konflikts anzupassen. In einer frühen Phase muss der Projektleiter sehr genau beobachten, und diese Beobachtungen wertschätzend zurückmelden. Bei einem Leugnen des Konflikts sollte sie auf ihrer Wahrnehmung bestehen und auf die Folgen der ungelösten Spannungen hinweisen.

Bei einem weit eskalierten Konflikt ist auch den Beteiligten der Konflikt bewusst. Hier geht es darum, die Konfliktparteien für eine gemeinsame Bearbeitung zu gewinnen. Einzelgespräche mit den jeweiligen Konfliktparteien sind ein guter Einstieg. Nicht alle Konflikt sind lösbar, diesem Erfolgsdruck sollte sich eine Führungskraft nicht aussetzen. Extrem eskalierte Konflikte erfordern oft einen Machteingriff, und nicht immer geht es dabei ohne Trennung ab. Die Projektleiterin, der Scrum Master müssen sich in diesem Fall die Unterstützung bzw. Legitimation durch disziplinarische Führungskräfte holen und sollten diesen Schritt auch nicht scheuen.

 

Grundsätzlich sollte der Scrum Master bzw. die Projektleiterin sich die Frage stellen, in welcher Funktion sie intervenieren will. Folgende Rollen bieten sich an:

  • Aufmerksammacher (eigene Beobachtungen mitteilen, zur eigenverantwortlichen Klärung motivieren)
  • Berater und Tippgeber (dabei immer allparteilich bleiben, sicherstellen, dass man richtig verstanden wird)
  • Moderator/Mediator (auf gute Gesprächsstruktur achten, Allparteilichkeit leben, Vertraulichkeit sicherstellen)
  • Leader (Machteinsatz, klare Vorgaben, Kontrolle, echte Konsequenzen)
  • Auftraggeber an externe Mediation (Delegation an Dritte, klarer Auftrag, Ziele für die Konfliktberatung definieren, Nachkontrolle)

Stimulierung

Eine Zusammenarbeit ganz ohne Konflikte oder ohne Auseinandersetzungen, die mitunter auch einmal heftig sein dürfen, führt zu verminderten Leistungen und Ergebnissen. Hier wird die Harmonie zu sehr in den Vordergrund gestellt, und inhaltlich wichtige Kontroversen werden nicht ausgetragen. Deshalb kann und muss es bei Bedarf  auch die Aufgabe von Scrum Mastern oder Projektleitern sein, Mitarbeiter zu ermutigen, konfliktbereiter zu werden, Auseinandersetzungen auch einmal zu riskieren und einzugehen. Einzelgespräche, Coaching, Teamentwicklungen oder Trainings sind Instrumente zum Stimulieren einer konstruktiven Konfliktkultur. Solch ein Stimulieren muss immer offen angekündigt und mit den Mitarbeitern abgestimmt werden. Verdeckte Maßnahmen, die den Mitarbeitern vor Augen führen sollen, wie konfliktscheu oder harmoniesüchtig sie sind, sind aus unserer Erfahrung kontraproduktiv. Stattdessen empfehlen wir, das Thema offen anzusprechen, die Einschätzung der Mitarbeiter einzuholen, Mut zu machen und Kommunikationsräume zu schaffen, in denen das erwünschte Verhalten eingeübt und reflektiert werden kann.

 

Fazit:  Laterale Führung und Selbstorganisation bieten viele Möglichkeiten, Konflikte zu lösen

 

Also ran an die Konflikte! Wenn sie schon keine Lust sind, dann sorgen Sie dafür, dass sie auch keine Last sind, sondern notwendiger Teil der Aufgabe, Teams in ihrer Selbstorganisation zu begleiten und zu führen.

Dieter Rösner & Gudrun Kreisl

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