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Konfliktmanagement-Tools für Scrum Teams – Naikan Methode

Konfliktmanagement_für_Scrum_Teams_ein_Muss_3 - Beitragsbild

Ein Gastbeitrag von meinem Kollegen Dieter Rösner.

Latente oder auch offene Konflikte sind eine eher nicht erwünschte, jedoch realistisch betrachtet, relativ häufige Erscheinung – gerade auch in selbstorganisierten Teams. Sie müssen bearbeitet und gelöst werden, da sie mit ihrer dysfunktionalen Dynamik so gut wie immer die Performance des Teams behindern. Laterale oder auch disziplinarische Führung sind hier qua Funktion gefordert, Anstöße zur Klärung zu geben und ggf. zu moderieren. Ist die Eskalationsstufe des Konflikts noch nicht zu weit fortgeschritten, dann wollen und können die Konfliktbeteiligten noch miteinander reden.

An dieser Stelle bietet sich die NAIKAN-Methode an, eine wirkungsvolle Methode für intensiven, gut strukturierten und gründlichen Austausch. NAIKAN stammt aus Japan und wurde bereits Anfang der 40er Jahre als meditatives Verfahren zur individuellen Selbstreflexion entwickelt. Die Wortbedeutung ergibt sich aus „NAI“ = Inneres und „KANN“ Beobachten, Schau. Das Wort bedeutet also Innenschau.

NAIKAN ist in seinem Ursprung eine Methode zur individuellen Selbsterfahrung und Selbstentwicklung. Sie hilft Menschen, ihre ganz einzigartigen Wahrnehmungen, inneren Glaubenssätze und emotionalen Muster bezogen auf die Erfahrungen mit anderen Menschen zu erforschen und zu reflektieren. Über Selbsteinsicht kann man dann zu neuen Erkenntnissen, Lösungen und Handlungsmöglichkeiten kommen. NAIKAN appelliert an z.T. unbewusste Dynamiken und initiiert einen eher indirekten „Heilungsprozess“. Insbesondere aber bietet die Methode den Beteiligten an, bei sich selbst Änderungen vorzunehmen, statt andere zu „blamen“. Die Menschen gehen aufeinander zu, sie hören auf, nach Schuldigen zu suchen.

Die Übertragung von NAIKAN auf Prozesse der Teamentwicklung und Konfliktbearbeitung ermöglicht eine gute Kombination der individuellen Reflexion mit einem wirkungsvollen, strukturierten Team-Austausch auch in konflikthaften Situationen. NAIKAN ist in ihrer Struktur und Vorgehensweise sehr einfach. Sie ist ein klassisches Beispiel für Selbstverantwortung und Selbstorganisation in zwischenmenschlichen Beziehungen, passt also sehr gut zu agilen, sich selbstorganisierenden Teams.

Workshop und Methoden

NAIKAN stellt in der Teamvariante folgende drei Fragen, die auf einem DIN-A4-Blatt oder einem Flipchart-Blatt visualisiert sind:

  1. Was habe ich von diesem/meinem Team bekommen, was hat mir geholfen, was hat mich bereichert, was hätte ich ohne dieses Team nicht oder nicht so gut erreicht?
  2. Was habe ich diesem Team/meinem Team gegeben, was habe ich eingebracht, wie habe ich geholfen, was habe ich bewirkt, worauf habe ich verzichtet?
  3. Welche Schwierigkeiten habe ich dem/meinem Team gemacht, wen oder was habe ich behindert, welche Nachteile habe ich bewirkt, wo war ich ungerecht, wo habe ich gestört, wo habe ich mich nicht teamgemäß verhalten?

Der NAIKAN Prozess beinhaltet folgende 5 Schritte

1) Zuerst gibt es eine kurze Erklärung der Methode (siehe oben). Dann gibt der Moderator ein kurzen!! neutralen Rückblick auf die Teambiografie („wenn Ihr mal kurz an die Zeit zurückdenkt, in der ihr als Team zusammenarbeitet, vom Start über die ersten Monate … bis zum heutigen Tag. Gerade auch unter dem Eindruck der aktuellen Schwierigkeiten, in denen wir stecken. Jeder hat so seine ganz eigenen Erfahrungen gemacht, hat sich auf seine Weise eingebracht und hat seine individuelle ‚Geschichte‘ erlebt …“)

2) Die stille Runde 1: Jedes Teammitglied bekommt nun ein Blatt/Flipchart-Blatt mit den drei Fragen und der Anweisung, sich alleine intensiv mit den Fragen zu beschäftigen und die Antworten zu notieren.

Evtl. einige Regeln vereinbaren, wie z.B. keine Gespräche untereinander, am ausgewählten Platz bleiben (auch wenn fertig), volle Ausrichtung auf die drei Fragen etc., (dafür sollte genügend Platz und Zeit zur Selbstreflexion zur Verfügung stehen, idealerweise ca. 30 Minuten und Teammitglieder deutlich voneinander separiert)

3) Austauschrunde: Wenn alle Teammitglieder ihre Antworten formuliert haben, finden sich immer zwei Kollegen/Kolleginnen, um ihre Antworten auszutauschen und sich Feedback zu geben. Dieser Vorgang wird mehrfach wiederholt, bis jede/r mit jedem/r im Austausch war. Dieser Schritt ist auch in Dreiergruppen möglich.
(Zeitrahmen für die Gespräche mindestens 20/30 Minuten, je nach Teamgröße)

4) Nun trifft sich das Team zu einer kurzen Sharing-Einheit. Jeder Teilnehmende macht ein kurzes Statement zum inneren Erleben, d.h. zur persönlichen Gefühlslage des soeben erlebten Prozesses. Jede/r formuliert dazu 1-2 kurze Sätze („mir ging es …“, „ich war am Anfang angespannt und hatte dann immer mehr ein angenehmes Gefühl“, … etc.)  (Zeit max. 5 Minuten)

5) Die stille Runde 2: Jede/r Einzelne nimmt sich nun noch einmal Zeit für sich alleine. Um die im NAIKAN Prozess gemachten Erfahrungen zu verarbeiten, bekommt jeder den Auftrag,

  • die positiven Momente mit dem Team anzunehmen und zu würdigen
  • zu definieren, was sich bei ihr/ihm geändert hat
  • was sie/er zukünftig bei sich verändern und den Anderen mitteilen will

Die Botschaften sollten individuell visualisiert werden. (Zeit: 20 Minuten)

6) Perspektivenrunde: Die Ergebnisse der stillen Runde 2 werden jetzt wiederum im Plenum vorgestellt. Gemeinsam werden Vereinbarungen und Maßnahmen für einen konfliktfreieren Umgang erarbeitet.

NAIKAN arbeitet mit den beiden Ebenen der Beziehungsbilanz (Fragen 1 und 2) und der Beziehungsbelastung (Frage 3) und ermöglicht es, in der strukturierten Selbstreflexion und dem kollegialen Austausch, positive und ressourcenvolle Prozesse zu initiieren. Der/die Moderator/Moderatorin sollte sehr präzise An- und Vorgaben machen, und die Einzelnen nur bei Bedarf ganz vorsichtig unterstützen. Seine/Ihre Aufmerksamkeit ist bei dem, was im Prozess geschieht. Er/Sie sollte vor allem genau darauf achten, dass der Einzelne in Ruhe mit sich selbst arbeiten kann (Schritte 2 und 5), vereinbarte Regeln eingehalten werden, und in den Plenumsphasen ein konstruktiver Austausch stattfindet. Wichtig ist auch, dass ausschließlich die im NAIKAN Prozess erarbeiteten Informationen und Botschaften kommuniziert werden und nichts im Nachhinein hinzugefügt wird.