Es beginnt in der Kaffeeecke
Arne steht mit Britta in der Kaffeeecke. Es ist ruhig am Flur, niemand sonst ist zu sehen. Britta sagt, mit ernstem Blick zu Arne: „Neulich im monatlichen Führungskreis-Meeting hat Christoph sein Projekt vorgestellt, und dabei habe ich ihn ziemlich unsicher erlebt. Auf manche Fragen wusste er keine Antworten. Da würde ich mir mehr erwarten.“ Ein paar Tage später erzählt Arne Christoph, was Britta über ihn gesagt hat: „Übrigens, Christoph, kürzlich hat Britta erwähnt, dass Du im monatlichen Führungskreis-Meeting sehr unsicher gewirkt hast, als Du Dein Projekt vorgestellt hast. Da hätte sie sich mehr von Dir erwartet.“
Das ist sicher nicht schön für Christoph, aber zumindest weiß er jetzt, dass Britta mit Christoph’s Auftritt neulich im Meeting unzufrieden war. Wenn Arne Britta als Feedbackgeberin nennt, besteht zumindest theoretisch die Möglichkeit, sie daraufhin anzusprechen: „Hallo Britta, Arne hat mir von Eurem Gespräch über mich berichtet. Danke, dass Du so offen Feedback gegeben hast. Kannst Du mir bitte sagen, wann ich unsicher gewirkt habe, damit ich zukünftig …. usw.“
Was aber kann Christoph tun, wenn Arne Christoph’s Vorgesetzter ist und Britta eine Kollegin von Arne auf gleicher Hierarchieebene? Eventuell kann er erreichen, dass er schließlich doch noch mit Britta sprechen kann. Doch was kann Christoph tun, wenn Arne ihm erst gar nicht erzählt, wer mit ihm geredet hat? „Übrigens, Christoph, kürzlich hat mir jemand erzählt, dass Du im monatlichen Führungskreis-Meeting sehr unsicher gewirkt hast, als Du Dein Projekt vorgestellt hast. Da hätte sich unser gemeinsamer Stakeholder mehr von Dir erwartet.“
Dann sind die Möglichkeiten von Christoph sehr beschränkt. Er weiß, jemand hat ihn negativ bewertet, doch er weiß nicht, wer das ist. Und er weiß, dass dieser Jemand mit seinem Vorgesetzten über ihn gesprochen hat. Wen das nicht unsicher macht, der muss schon ein sehr dickes Fell haben. Die meisten Menschen, denen so etwas passiert, sind verunsichert. Sie fragen sich, wer wohl dieser Jemand ist, in welcher Situation er, Christoph, auf diesen Jemand unsicher gewirkt hat, was er genau anders machen soll usw. Doch er kann diesen Jemand nicht fragen, weil dieser Jemand sich nicht als Feedbackgeber zu erkennen geben möchte.
Wenn Christoph z. B. fragt: „Um welche Situationen handelt es sich denn? Wo genau habe ich unsicher gewirkt? Und wer hat das über mich gesagt?“, erwidert Arne vielleicht: „Nun, das kann ich Dir nicht sagen, der Kollege wollte nicht genannt werden. Ich denke, Du solltest damit klarkommen, dass mir jemand über Dich ein Feedback gibt. Meine Bitte ist, dass Du darauf achtest, in Zukunft sattelfest zu sein, wenn Du auf Dein Projekt angesprochen wirst. Und bitte gib mir Bescheid, wenn ich Dich darin unterstützen kann, sicherer aufzutreten bzw. Dein Projekt gut nach außen hin zu vertreten.“
Dreieckskommunikation
Hier findet eine klassische Dreieckskommunikation statt. Dabei redet Arne mit Britta über Christoph. Britta erzählt Arne, was sie bei Christoph beobachtet hat, was sie über ihn denkt, wie sie ihn einschätzt. Arne gibt den Inhalt dieses Gesprächs (bzw. das, was Arne verstanden hat oder wie Arne es interpretiert) an Christoph weiter. Britta und Christoph haben nicht miteinander gesprochen. Doch Christoph erfährt über Arne, was Britta gesagt hat.
Wenn Arne seine Quelle geheim hält, so wie im obigen Beispiel, hat Christoph keine Chance, jemals zu erfahren, wer da etwas über ihn gesagt hat, was dieser nicht genannte wirklich denkt, was er beobachtet hat, was er sich von Christoph wünscht. Und natürlich wird Christoph sich Gedanken machen, wer es wohl gewesen sein könnte. Und im nächsten Meeting wird er versuchen, sich anzustrengen, nicht unsicher zu wirken. Gleichzeitig überlegt er, wer der Anwesenden wohl mit Arne geredet hat … All das wird Christoph nicht sicherer machen. Im Gegenteil, es verunsichert ihn noch mehr.
Wir alle kommunizieren im Dreieck!
Wir Menschen reden ständig übereinander. Mit dem einen Nachbarn reden wir über den anderen, darüber, dass seine Kinder schlecht erzogen sind oder er seinen Müll nicht ordentlich trennt. Wir reden mit dem Kollegen über einen dritten, mit den Kindern über die Lehrerin.
Dreieckskommunikation nennt man das, oder auch Triade1). Eine Triade bezeichnet erst mal nur ein Beziehungssystem zwischen drei Personen. Die meisten Menschen sind in einer Triade aufgewachsen: Vater-Mutter-Kind2).
Es ist die älteste Dreieckskommunikation, die wir kennen: die Eltern erziehen gemeinsam das Kind und sie stimmen sich miteinander ab. Das Kind lernt, dass es die Eltern nicht gegeneinander ausspielen kann, auch wenn das manchmal von Vorteil wäre. Das Kind erlebt die Überlegenheit der Eltern überwiegend als angenehm, und es befreit sich allmählich daraus. Die Eltern erziehen das Kind in die Selbständigkeit.
Von der Triade zur Triangulierung
Die Triade wird dysfunktional, wenn zwei der drei Beteiligten eine Koalition gegen den Dritten eingehen. Das nennt man auch Triangulierung3). In Familien verbündet sich dann ein Elternteil zusammen mit dem Kind gegen den anderen, wobei das Kind in einen Loyalitätskonflikt gerät. Es will den einen Elternteil nicht enttäuschen, und es will den anderen nicht verlieren. Eine aussichtslose Situation für das Kind, weil es nur verlieren kann. Kinder, die von einem Elternteil dahingehend manipuliert werden, sich gegen den anderen zu verbünden, erleiden fast immer einen psychischen Schaden.
Wie aber ist es, wenn Erwachsene eine Triangulierung erzeugen oder wenn sie in eine solche hineingezogen werden? Was ist, wenn die Macht ungleich verteilt ist, so wie das in einer Hierarchie immer der Fall ist? Was sind die Motive, überhaupt eine Triangulierung zu erzeugen? Welche Auswirkungen hat das auf alle Beteiligten? Und hat der schwächste Teil im System eine Chance, die Triangulierung aufzulösen? Oder ist er der Manipulation hilflos ausgeliefert, so wie das Kind in der Familie?
Lassen Sie uns das doch mal mit Arne, Britta und Christoph durchspielen. Was ist geschehen? Britta hat Arne eine (vorübergehende) Koalition gegen Christoph angeboten, und Arne hat diese angenommen. Denn es gelingt es Britta, Arne dahingehend zu manipulieren, an Christoph eine Botschaft zu übermitteln, ohne dass Christoph „zurückkommunizieren“ kann. Eventuell bittet Britta Arne um Vertraulichkeit. Oder sie kann davon ausgehen, dass Christoph bezüglich des Gesprächs mit Arne nicht bei ihr nachfragen wird. Christoph erfährt also schließlich von Arne über das Gespräch zwischen Arne und Britta, und der Kreis hat sich geschlossen.
Übereinander reden ist Teil von vielen Unternehmenskulturen
Bemerkenswert ist, dass in beiden Gesprächen sowohl miteinander als auch übereinander gesprochen wurde:
- Britta spricht mit Arne über Christoph
- Arne spricht mit Christoph über das, was Britta über Christoph gesagt hat, bzw. über das, was eine dritte, anonym bleibende Person, über Christoph gesagt hat
In meinen Coachings erzählen immer die „Christophs dieser Welt“ von der Dreieckskommunikation. Denn sie sind es, die ein Problem damit haben. Die „Arnes“ und „Brittas“ sind wesentlich entspannter, sie bereden einfach mit einem Kollegen ein Problem und fühlen sich nach dem Gespräch besser:
- Britta fühlt sich besser, nachdem sie mit Arne gesprochen hat. Arne versteht sie, und vielleicht kann Arne ja bei Christoph etwas bewirken
- Arne fühlt sich besser, nachdem er mit Christoph gesprochen hat. Er hat seine Verpflichtung gegenüber Britta eingelöst („Sie kann erwarten, dass ich etwas tue …“) und er hofft, dass Christoph sich zukünftig mehr anstrengen wird
Bei Christoph endet die Kommunikation. Er ist in dem Moment so alleine wie das Kind, das zwischen der Elternfront zerrieben wird. An wen soll er sich wenden? Vielleicht spricht er mit seiner Partnerin darüber, oder mit Freunden. Aber mit Britta kann er nicht reden, denn er weiß ja nicht, dass Britta es war, die mit Arne über ihn gesprochen hat.
Hier sind wir auch bei dem Hauptmotiv von Britta und Arne angelangt, weshalb sie die Triangulierung erzeugt haben: Anschließend fühlen sie sich besser. Ihr eigener innerer Minderwert trat für eine gewisse Zeit in den Hintergrund. Deswegen inszenieren Menschen mit einem guten und stabilen Selbstbewusstsein viel seltener Triangulierungen bzw. sie lösen sie schnell auf. Oder sie verlassen früher oder später einen Kontext, in dem viel trianguliert wird. Sie haben einfach keine Lust auf diese Spiele und lassen sich auch nicht so leicht manipulieren.
Die Triangulierung schwächt den hierarchisch Schwächsten
Wenn zwei Abteilungsleiter sich über einen Teamleiter unterhalten, der an einen der Abteilungsleiter berichtet, so ist daran zunächst nichts auszusetzen. Solche Gespräche finden ständig statt und dienen der Erwartungsklärung. Wenn beide verantwortlich mit dem Gespräch umgehen, ist das aus einer gewissen Perspektive in Ordnung, auch wenn es ein „Reden übereinander“ bleibt. Heikel wird es, wenn der Vorgesetzte den Inhalt des Gesprächs an seinen Teamleiter weitergibt und seine Quelle nicht nennt. Der Teamleiter wird kritisiert und kann nicht klären, wofür genau er kritisiert wird. Es ist ihm nahezu unmöglich, bei demjenigen, der kritisiert, nachzufragen.
Eine Triangulierung ist für den Schwächsten dysfunktional, denn sie schwächt den hierarchisch Schwächsten noch mehr. Im o. g. Beispiel ist das Christoph, der Mitarbeiter von Arne.
Die Triangulierung auflösen
Was kann Christoph tun, um aus dieser Schwächung herauszukommen? Zunächst sollte er sich der Rollen sowie der Wirkung der Triangulierung bewusst werden. Das ist eine erste wichtige Entlastung – er erkennt, dass andere ihn durch ihre Kommunikation verunsichert haben.
In Folge dieser Erkenntnis sollte er aktiv werden und die Triangulierung auflösen. Zunächst einmal sollte er mit Arne sprechen und ihn auf die Dynamik der Dreieckskommunikation hinweisen. Er sollte ihm aufzeigen, welche Rolle er, Arne, in dieser Konstellation spielt (Überbringer anonymer Botschaften Dritter) und welche Wirkung das auf ihn, Christoph, sowie auf ihrer beider Zusammenarbeit hat (Vertrauensverlust, Gefühl vom Vorgesetzten kritisiert zu werden, ohne die Situation klären zu können).
Als Nächstes sollte Christoph Arne bitten, mit dem Feedbackgeber zu reden und ihn darauf hinweisen, dass Christoph an direktem Feedback sehr interessiert ist und sich freut, wenn der Feedbackgeber direkt auf ihn zugeht. Und dass derjenige bzw. diejenige zukünftig gerne direkt Christoph ansprechen kann – falls er oder sie Feedback geben möchte.
Dies alles ist natürlich alles andere als leicht, schließlich handelt es sich um ein Feedback an den eigenen Vorgesetzten. Deshalb ist es wichtig, dass Christoph freundlich und wertschätzend kommuniziert und Arne keine böse Absicht unterstellt. Jedoch empfehle ich niemandem, Dreieckskommunikation einfach so hinzunehmen. Die Hürde mag hoch sein, das Verhalten der anderen zu kommentieren, insbesondere wenn sie in der Hierarchie über ihnen stehen. Wenn man es jedoch nicht tut, öffnet man weiteren Triangulierungen Tür und Tor. Und oft erkennen die anderen im Dreieck erst durch das Feedback, wie sie kommuniziert haben und welche Wirkung das auf andere hat.
1) Fritz B. Simon, Helm Stierlin u. a.
2) Fivaz-Depeursinge, Elisabeth & Antoinette Corboz-Warnery
Das primäre Dreieck. Vater, Mutter und Kind aus entwicklungstheoretisch-systemischer Sicht
3) Triangulierung bezeichnet in der systemischen Therapie (Familientherapie) dysfunktional(e) Beziehung(en) innerhalb einer Dreierkonstellation unter (hierarchisch) Ungleichen gegen einen Dritten, beispielsweise Mitarbeiter und Führungskraft gegen einen anderen (Watzlawick, Wikipedia).
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